Trierischer Volksfreund
Es fehlt an Pflegekräften, Stationen müssen schließen. Das ist nicht nur im Saarburger Krankenhaus so. Doch dort machen Mitarbeiter auf die Missstände aufmerksam. Was sie zu sagen haben.
LOKALES#ZEITUNG FÜR KONZ, SAARBURG UND HOCHWALD
VON MARION MAIER
SAARBURG/TRIER |Angesichts des Pflegenotstands hat ein Bündnis der Betroffenen in Rheinland-Pfalz symbolisch zum Pflegeaufstand aufgerufen. Rund 20 Menschen kommen deshalb am frühen Freitagnachmittag vor dem Saarburger Krankenhaus zusammen.
Station geschlossen, Betten knapp
Silvia Breit, Bereichsleiterin im Fachbereich Innere Medizin, schildert, warum sie da ist: „Zurzeit ist eine Station bei uns komplett geschlossen aufgrund des Personalmangels. Wir haben oft nicht genug Betten für die Patienten. Es ist ein täglicher Kampf. Wir müssen schnell und flexibel reagieren, indem wir Patienten entlassen.“ Auf der seit drei Monaten geschlossenen Station ist normalerweise Platz für 21 Patienten. Hinzu kommt laut Breit die Arbeit auf der Isolierstation mit den Covid-Patienten. Das sei eine starke körperliche Belastung, die an die Substanz gehe.
Immer wieder Überstunden Pflegerin Stefanie Thielmann berichtet von anderen Nöten: „Aufgrund des Personalmangels geraten wir manchmal in Schwierigkeiten, die Patienten so zu versorgen, wie es notwendig ist. Wir müssen immer wieder Überstunden machen und Kollegen aus dem Frei holen“, sagt sie.
Landauf, landab sind die Probleme ähnlich. Deshalb hat sich das Bündnis Pflegeaufstand gegründet, das professionell Pflegende und andere Berufsgruppen mit landesweiten Aktionen vernetzen und ermächtigen will, für ihren Berufsstand zu kämpfen. Darüber hinaus will das Bündnis „die Aufmerksamkeit der Gesellschaft einfordern“. Mitbegründerin Julia Stange von der Universitätsmedizin Mainz, erklärt, warum das Bündnis eine Plastik-Ampel unter den Kliniken weiterreicht, die es an diesem Tag in Saarburg abholt: „Wir werden die regierende Ampel immer wieder auf ihre Versprechen aufmerksam machen, die sie gegeben hat.“
Die Forderungen der Protestierer
Und so fordern die Protestierenden nicht einfach nur mehr Personal, sondern auch verbindliche Personalvorgaben für alle Bereiche der professionellen Pflege. Das Bündnis verlangt außerdem, dass keine Pflegefachperson mehr alleine im Dienst arbeiten muss, dass alle nach Tarif bezahlt werden und deutlich mehr Gehalt bekommen. Das Bündnis will zudem, dass die Kliniken bedarfsgerecht finanziert werden und nicht mehr mit dem System der Fallpauschalen kämpfen müssen. In Saarburg erhalten die Protestierer Unterstützung vom Direktorium des Krankenhauses. Pflegedirektorin Irene Schuster und ihr Stellvertreter Florian Bergmann melden sich bei der Aktion zu Wort. Schuster bestätigt, dass immer wieder Stationen abgemeldet werden müssten. Es gehe um das Überleben der Krankenhäuser. Schon lange hätten sich die Mitarbeiter von der Pflege, wie sie sie einmal gelernt hätten, entfernt. „Viele gehen nicht mehr mit gutem Gewissen nach Hause“, sagt sie. So werde man den Menschen nicht mehr gerecht. Schuster erinnert daran, dass auch in den Seniorenheimen und der ambulanten Pflege Kräfte fehlen – mit verheerenden Folgen. So könnten Krankenhäuser Senioren nicht in Heime vermitteln, weil es auch dort Personalengpässe gebe. 50 Menschen stünden derzeit beispielsweise auf der Warteliste des Altenheims, das zur Klinik gehöre. Bei den ambulanten Diensten würden Doppelschichten gefahren, um die Patienten zu versorgen.
Auch der Seelsorger des Krankenhauses, Michael Zimmer, unterstützt die Aktion. Er sagt: „Ich höre seit 18 Jahren Versprechungen aus Berlin. Jede Reform hat es komplizierter gemacht. Bei den Menschen ist wenig bis gar nichts angekommen.“ Krankenschwestern hätten gerne mehr Zeit für die Patienten. Doch das ginge nicht. Zimmer fasst zusammen: „Menschlich ist es schon gekippt.“
Mindestens 20 Pflege-Vollzeitkräfte fehlen im Saarburger Krankenhaus, schätzt Jörg Sponholz, der Vorsitzende des Betriebsrats. „Der Nachwuchs bleibt schon länger aus, aber das hat bislang niemanden interessiert“, sagt er. Jetzt, nach zwei Jahren Pandemie, in denen die Pflege bis über die Belastungsgrenze gegangen sei, hätten viele der Kolleginnen und Kollegen gesagt: „Ich kann nicht mehr, ich höre auf.“
Aufruf zur Demo in Mainz Das Bündnis Pflegeaufstand ruft vor diesem Hintergrund auf, weiterzukämpfen. „Wir haben schon viel bewirkt“, sagt Julia Stange. Im Flugblatt des Bündnisses weisen die Organisatoren darauf hin, dass sich Pflegende aus 74 Einrichtungen in dem Bündnis organisiert hätten. „Das ist bis dato einmalig“, heißt es. 19 Gruppen und Organisationen hätten ihre Solidarität bekundet, darunter die Gewerkschaft Verdi, der Hebammenlandesverband und Parteien. Für Sonntag, 11. September, ruft das Bündnis zu einer Pflegedemo in Mainz auf.
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