Was bewegt uns noch? …denn Wunder sind nicht zu erwarten.

Protestbewegung zum internationalen Tag der Pflege 2024

Eine Protestbewegung zum internationalen Tag der Pflege 2024 fand auch in Mainz statt. Das Bündnis Pflege.Auf.Stand RLP rief dazu auf, gemeinsam und solidarisch die Pflegeplayer in Rheinland-Pfalz aufzusuchen. Mit kurzen Redebeiträgen warfen die Demonstrierenden an vier Stationen einen kritischen Blick auf das bestehende Gesundheitssystem mit der Frage: Was braucht es für gute Pflege?

Erste Aktion der Bewegung fand vor den Türen der Pflegekammer RLP statt, einem der Pflegeplayer im Land – bereits seit 8 Jahren ! Udo Haas, Krankenpfleger aus Worms fragte, was denn nun die Basiserfolge seien von der Pflegekammer RLP? Die Aufgaben der Kammer wurden von ihm kurz benannt auch mit Blick in das Heilberufe Gesetz.

Dort steht folgendes drin: „Kammern: Sie nehmen auch die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange der Kammermitglieder in ihrer Gesamtheit wahr.“ Was ist in den letzten 8 Jahren passiert im wirtschaftlichen Bereich? Hat sie deine sozialen Belange , sprich deine Arbeitsbedingen verbessert vor Ort? Hat sie dafür gesorgt, dass du freigestellt worden bist zu Fort und Weiterbildungen?“

Die Pflegekammer hat sehr viel mit sich selbst zu kämpfen. So waren die Beitragsbescheide jahrelang rechtswidrig. Es ist nicht einfach ein Amt in der Pflege zu etablieren. Die Pflegekammer ist groß gestartet, hat Wunder versprochen und nun sehen wir, wie die Wunderkerze erlischt. „Der Pflegeplayer wird keine Wunder vollbringen,“ schimpft Udo, „da hilft auch nicht die beste Weiterbildungsverordnung. Diese Institution wird es auch nicht können, weil die Pflegekammer so ist wie sie ist. Die Politik hat sich dem Pflegethema entledigt, indem sie in Rheinland-Pfalz eine zahnlose Pflegekammer geschaffen hat. Mit keinen wirksamen Mitspracherechten ausgestattet auf die Arbeitgeber effizient einzuwirken, um die Situation von uns Fachpflegenden nachhaltig zu verbessern. Er hat nur das Zugriffrecht auf das einzelne Zwangs Mitglied. Dazu gibt es Berufsgerichtverfahren und vieles mehr.“

Die Pflegekammer in RLP war immer gegen die gesetzliche Einführung einer patientenbedarfsorientierten Personalbemessung. Wir Pflegenden haben dafür gekämpft – unsere Gewerkschaft hat es nun durchgesetzt, nicht die Kammer, dass die PPR 2.0 per Gesetz zur Umsetzung kommt. Alle Pflegenden bei der Demo waren sich einig: „Unsere Stimme sind wir – organisiert in der Gewerkschaft. Unsere Stimme ist nicht eine Pflegekammer.“ Die flammende Rede von Udo erhielt lauten Applaus.

„Es ist 2024. Das Wunder Pflegekammer ist in der Realität angekommen und die Wunderkerze ist abgebrannt  und viele Kolleginnen ausgebrannt.“

Zweite Aktion fand zum Tag der Pflege vor dem Gebäude des Ministeriums statt. Hier sprach Ingrid Mollnar für die Belange und Forderungen der Geburtshelfer*innen. „Hebammenhilfe und Geburtshilfe sind wichtige Gesundheitsleistungen für junge Frauen vom Beginn der Schwangerschaft bis ins erste Lebensjahr. Sie müssen einfach, wohnortnah, rund um die Uhr und in angemessener Ausstattung und Qualität für alle Frauen erreichbar sein in der gesamten Fläche von Rheinland-Pfalz.“

Hebammen sind die Spezialistinnen für diese Gesundheitsleistungen. Sie arbeiten wissenschaftlich fundiert und in gesicherter Qualität. Jede Schließung eines Krankenhauses verschlechtert in unmittelbarer Konsequenz die Geburtshilfliche Situation auch in unserem Bundesland. Die zukünftige Versorgung mit Hebammenhilfe und Geburtshilfe innerhalb und außerhalb klinischer Einrichtungen braucht bessere Rahmenbedingungen.

Den klaren Forderungen von Ingrid stellvertretend für ihre Kolleginnen ausgesprochen fand große Zustimmung: Geburtshilfe muss jederzeit gut erreichbar sein und zwar wohnortnah 24/7. Eine verbindliche leitlinienorientierte Personalbemessung für die klinische Geburtshilfe. Eine Vergütung freiberuflicher und angestellter Hebammen, die der hohen Qualifikation und Verantwortung sowie dem weiten Tätigkeitsspektrum entspricht. Aufbau von Versorgungszentren anstatt Abbau und Schließung von Krankenhäusern mit Geburtshilfe. Raus aus den Fallpauschalen – für eine sichere und natürliche Geburtshilfe!

Mit an der Protestbewegung des Bündnisses beteiligt waren auch Unterstützende der Partei Die Linke. Carmen Mauerer von der Mainzer Stadtratsfraktion sprach klare Worte. Sie arbeitet beim Verein „Armut und Gesundheit“ auf der Mainzer Zitadelle zusammen mit Gerhard Trabert und weiß ihre Forderungen aus erster Hand zu begründen. „Benachteiligte Menschen dürfen nicht vom bestehenden System ausgeschlossen werden. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht für alle, unabhängig von Gehalt oder welchen Pass sie haben. „Die angedachte Reform,“ so Carmen Mauerer weiter,“gefährdet die Menschen zugunsten von Profiten.“ Auch Die Linke fordert den radikalen Richtungswechsel im bestehenden Gesundheitssystem. „Versorgung muss neu gedacht werden,“ betont Carmen. „Modern, gemeinwohlorientiert und solidarisch. Die Etablierung einer solidarischen Pflegegarantie löst die bestehende Zwei-Klassenmedizin ab.“ Hochwertigere Ausbildungsmöglichkeiten, wohnortnahe Versorgungen sicherstellen sind weitere Forderungen. Bedarfsgerechte Finanzierung von Krankenhäusern und Ambulanzsysteme mit einer zentral gesteuerten Funktionalität im Sinne der Bedarfe der Bevölkerung wäre ein Anfang, den Menschen wieder in den Mittelpunkt eines Gesundheitssystems für die Bedarfe aller zu stellen.

Die dritte von vier Aktionen fand vor dem Landtagsgebäude von Rheinland-Pfalz statt. Auf dem ehrwürdigen Platz der Mainzer Republik. Julia-C. Stange, Sprecherin von Pfausta sprach klare Worte mit einem Ausblick. „Wir stehen vor entscheidenden Veränderungen in der Fachpflege. Akademisierung, Personalbemessung und eine generalistische Ausbildung sind nur einige der Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Doch während wir darüber diskutieren, bleibt der Pflegenotstand eine allgegenwärtige Realität.“ Denn was längst bekannt ist: die Kosten für Pflegeplätze steigen, Einrichtungen können nicht mehr alle Leistungen erbringen. Die Privatisierung von Krankenhäusern führt zu steigenden Kosten und sinkender Qualität. Bereiche wie Geburtshilfe oder Kinder – Notfallmedizin werden stillgelegt, weil sie nicht kostendeckend zu betreiben sind.

„Es ist an der Zeit, dass wir gemeinwohlorientiert handeln. Kommunen müssen mitentscheiden können, wie Versorgungseinrichtungen gestaltet werden, und die Bundesländer müssen mehr in das Gesundheitssystem investieren,“ fordert Julia stellvertretend für das Bündnis. „Verbindliche Personalregelungen, eine Entmachtung der Krankenkassen und eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung sind dringend erforderlich.“

Eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass jeder Zugang zu hochwertiger Versorgung hat, unabhängig von seinem Einkommen oder sozialen Status. Pflegende Angehörige müssen finanziell unterstützt werden und Zugang zu Entlastungsangeboten in ihrer Nähe erhalten. Care-Arbeit im privaten Umfeld muss neu gedacht werden. Die Gefahr einer Altersarmut bei Teilzeit Arbeitenden auf Grund von Kindern oder Pflege Angehöriger, darf es nicht geben.

Doch wir müssen weiterdenken als die bloße Verbesserung des Bestehenden. Wir brauchen eine Gesellschaft, die fürsorglich und solidarisch ist, in der der Zugang zu Gesundheitsversorgung und Pflege ein Menschenrecht ist und nicht länger von finanziellen Möglichkeiten abhängt. Dafür müssen wir politische Veränderungen vorantreiben – auch auf europäischer Ebene. Die meisten unserer Forderungen kann das Land allein nicht lösen – jedoch motiviert anstoßen.

Vierte Aktion am Vorabend zum Internationalen Tag der Pflege fand vor dem Dom zu Mainz statt. Stellvertretend für die 1,4 Millionen kirchlich Beschäftigte sprach Anne Jacobi-Wirth ein Machtwort und begrub symbolisch das zarte Heftchen der geltenden Mitbestimmung:

„Gleiches Recht für kirchlich Beschäftigte! Keine Gnade!
Ruhe in Frieden Mitbestimmungsrecht light! Wir haben weniger Freistellung und keine Einigungsstelle für die Kolleg*innen der Pfälzischen Diakonie/Landeskirche. Wir haben das Recht auf Sitz und Stimme im Aufsichtsrat! Wir fordern die Abschaffung des Kirchengerichtes! Wir fordern auch für uns kirchlich Beschäftigte zu arbeiten mit der Gültigkeit nach BetrVG.“

Der 12. Mai ist der Internationale Tag der Pflegenden. Er erinnert an den Geburtstag der britischen Krankenpflegerin und Pionierin der modernen Krankenpflege, Florence Nightingale. Der Tag soll daran erinnern, dass Krankenpflege eine „Kunst“ ist, wie Florence Nightingale sagte, und dass die Pflegekräfte in unseren Krankenhäusern Gold wert sind. Die britische Krankenschwester, die die Praxis der Krankenpflege förderte und eine der ersten Schulen für Krankenpflege eröffnete, gilt als Begründerin der modernen Pflege. Doch wie die Situation heute aussieht, wurde in vier Aktionen wieder eindringlich beschrieben. Anlässlich des Internationalen Tags der Pflegenden fordert ver.di für die Beschäftigten mehr Kompetenzen und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung für beruflich Pflegende. Die Pflegesituationen werden komplexer, Anforderungen steigen, weil auch der Mensch immer älter wird mit zunehmend komplexeren Krankheitsbildern. Es reicht einfach nicht aus mehr Hilfskräfte einzustellen. Für eine gute Qualität der Versorgung brauchen wir mehr Fachkräfte. Und diese sind da – wenn Forderungen endlich flächendeckend umgesetzt würden. Es ist jedoch nicht nur eine Frage von Lohnforderungen, sondern auch eine Frage von grundlegenden Veränderungen im System. Wer Profit über die Bedarfe des Menschen stellt, muss hinterfragt werden.

Das Bündnis Pflege.Auf.Stand RLP ruft dazu auf, am 9. Juni zur Wahl zu gehen und für eine solidarische, sozial gerechte und demokratische Zukunft in Europa zu stimmen – denn Wunder sind nicht zu erwarten!